Birgit Krätzschmar †
Fledermaussachverständige
u.a. im Verwaltungsraum Rastatt,
im Interview vom 12.11.2012 mit Melina Wochner und Ramona Müller vom Freiwilligen Ökologischen Jahr der Stadt Rastatt.
Tätigkeiten
Zu den Tätigkeiten von Birgit Krätzschmar als Fledermaussachverständige gehören das sehr zeitaufwändige Aufziehen von Jungtieren, das Gesundpflegen von verletzten Fledermäusen, Beratungen zu Fledermäusen - allgemein und im speziellen auch bei Renovierungen-, sowie die Öffentlichkeitsarbeit. Sie ist rein ehrenamtlich tätig.
Wie sind Sie zu ihrer Tätigkeit gekommen?
Vor wenigen Jahren hat Birgit Krätzschmar ein hilfloses Fledermaus-Jungtier gefunden. Dieses hat sie einem Experten zur Pflege überlassen. Als sie bereits drei Tage nach ihrem ersten Fund ein weiteres Jungtier fand, entschloss sie sich -nachdem sie von der Expertin Beate Link in die Pflege eingewiesen worden war-, dieses selbst aufzupäppeln. Dies war für sie der Auslöser selbst weiterzumachen, denn sie hatte sich schon längst in die kleinen Tiere verliebt.
2009 hat sie eine Schulung im Naturschutzzentrum Ruhestein im Nordschwarzwald gemacht, um eine Ausnahmegenehmigung zum Pflegen der geschützten Tiere zu erhalten. Die Fortbildung dauerte fünf Tage und schloss mit einer Prüfung ab.
Inzwischen ist Birgit Krätzschmar Fledermausbeauftragte für die Verwaltungsgemeinschaft Rastatt und den nördlichen Landkreis Rastatt. Allein im Jahr 2012 hatte sie 21 Fledermäuse in Pflege.
Allgemein zu Fledermäusen
Fledermäuse leben schon seit über 50 Millionen Jahren auf der Erde und sind die einzigen aktiv fliegenden Säugetiere.
Die Körperlänge unserer größten Fledermausart (Großes Mausohr) misst gerade einmal 8 cm und ihre Flügelspannweite beträgt an die 40 cm.
Fledermäuse können nicht sonderlich gut sehen, sie bedienen sich ihrer Echoortung um sich zu orientieren, und das funktioniert ziemlich gut. Damit können sie zielgenau ihre Beute fangen. [>> Ultraschallortung bei Fledermäusen, Link zum Landesbildungsserver B.-W.]
Zwischen Mai und August sammeln sich die Weibchen in den Wochenstuben und bringen ihre Jungen (üblich sind ein Junges oder Zwillinge) zur Welt und ziehen sie auf. Sie suchen dazu zugängliche und zugluftfreie Schöpfe, Speicher, Verschalungen oder Baumhöhlen auf.
Von Mitte November bis Mitte März sollten den Fledermäusen Höhlen, Keller, Dächer und Baumhöhlen als Unterschlupf für den Winterschlaf gelassen werden. Sowohl für die Zeit der Jungenaufzucht als auch des Winterschlafs ist es besonders wichtig ihre Quartiere nicht zu stören.
Sind Fledermäuse böse Blutsauger?
Unsere Fledermäuse sind keine Vampire. Im Gegenteil: sie sind harmlos, sie beißen nur dann, wenn sie sich bedroht fühlen oder verängstigt sind. Lediglich in Südamerika gibt es drei blutleckende Arten und auch diese befallen keine Menschen.
Wo kann man in Rastatt auf Fledermäuse treffen? Wo fühlen sie sich wohl?
An der Murg wurden bisher vier Arten gesichtet und auch in Durmersheim gibt es etliche.
Teilweise haben Fledermäuse ihre Quartiere auch an Hochhäusern.
Um die Fledermäuse besser finden zu können, kann man sich eines Bat-Detektors bedienen, dieser macht die Ultraschallsignale der Fledertiere für das menschliche Ohr hörbar und so kann man ihre Aufenthaltsorte bestimmen.
Wie viele Arten gibt es in der Region? Charakteristika?
In Baden-Württemberg gibt es 23 Fledermaus-Arten. Am Häufigsten ist die >> Zwergfledermaus (kleinste Art in Deutschland) anzutreffen. Im Landkreis Rastatt haben wir u.a. auch den >> Kleinen Abendsegler, die >> Kleine Bartfledermaus und >> Große Bartfledermaus, >> Rauhhautfledermaus, >> Breitflügelfledermaus, >> Wasserfledermaus, >> Bechsteinfledermaus, >> Zweifarbfledermaus und das vom Aussterben bedrohte >> Graue Langohr und >> Braune Langohr festgestellt.
Arten wie die >> Kleine und Große Hufeisennase, die im Osten noch vorkommen, sind hier bereits ausgestorben.
Abgesehen von ihrem Aussehen unterscheiden sich die Fledermäuse auch in der Frequenzhöhe der Laute, die sie ausstoßen.
Unter Artenschutz?
Alle Fledermäuse in Deutschland sind gesetzlich geschützt. Man darf sie weder fangen, noch stören, Quartiere zerstören oder gar töten.
Worauf muss man achten?
Im Winter sollte man darauf achten, dass man Fledermäuse nicht in ihren Quartieren stört, da sie sich im Winterschlaf befinden und leicht aufgeweckt werden können. Schon geringe Störungen können in dieser Ruhephase den Erschöpfungstod der Tiere bedeuten.
Oberstes Ziel muss es sein Fledermaus-Quartiere zu erhalten. Gehen Quartiere dennoch verloren (durch Renovierungsarbeiten, in Neubaugebieten o. ä.) müssen geeignete Ersatzquartiere geschaffen werden.
Gerade z.B. bei der Renovierung von Kirchen und anderen großen Gebäuden ist es wichtig die Fledermausquartiere zu erhalten/wiederherzustellen.
Fledermäuse verursachen keine Gebäudeschäden. Deshalb keine Quartiere verschließen. Wo ihr Kot stört (z.B. an der Hausfassade), kann er mit einem Kotbrett aufgefangen werden.
Was tun bei verletzten (Jung-)Tieren? Wohin bringen? Wie transportieren?
Wenn man eine flugunfähige Fledermaus findet, sollte man sie unbedingt zu einem Experten bringen. Normalerweise sind die verletzten Tiere zu schwach um zu beißen. Man sollte sie sicherheitshalber aber mit einem Tuch oder einem Handschuh anfassen und zum Transportieren in eine Box (z.B.: einen Schuhkarton) setzen. Diese stattet man mit Tüchern oder einem locker hineingelegten sauberen Handtuch zum Verkriechen aus und stellt ein Schälchen (oder Marmeladenglasdeckel) mit Wasser dazu. Als Nahrung kann man der Fledermaus Mehlwürmer, Spinnen oder Mücken in einem Schälchen hinstellen.
Danach sollte im Bereich der Verwaltungsgemeinschaft Rastatt Birgit Krätzschmar angerufen werden.
Leider sterben viele verletzte Tiere trotz fachkundiger Pflege.
Wie wichtig sind Fledermäuse für unsere Umwelt?
Fledermäuse spielen im Naturhaushalt eine äußerst wichtige Rolle. Neben Vögeln und Spinnen zählen Fledermäuse zu den wichtigsten Insektenvertilgern. Fledermäuse verlassen ihre Quartiere in der Dämmerung, manche Arten fliegen erst bei völliger Dunkelheit aus. Somit teilen sich u. a. Vögel und Fledermäuse sehr geschickt ihre Aufgaben. Vögel machen tagsüber und Fledermäuse nachts Jagd auf "Schadinsekten". Der Nahrungsbedarf von Fledermäusen ist sehr groß. Eine Zwergfledermaus kann in einer Nacht bis zu 1000 Stechmücken fressen! Das entspricht etwa einem Drittel ihres Körpergewichts.
Was wissen die wenigsten über Fledermäuse?
Ihren deutschen Namen erhielten Fledermäuse, weil ihr Gesicht dem einer Maus ähnelt. Sie sind nicht mit Mäusen verwandt. Der wissenschaftliche Name Mikrochiroptera leitet sich vom Griechischen ab und bedeutet 'Kleiner Handflügler'.
Fledermäuse werden oft mit >> Flughunden verwechselt, weswegen die meisten Leute über deren wahre Größe überrascht sind, weil sie sich die Tiere viel größer vorstellen, als sie eigentlich sind. Sie zählen zusammen mit den Flughunden zu den Fledertieren. Beiden ist gemeinsam, dass sie mit den Händen fliegen. Flughunde sind größer, sie haben große Augen, können gut sehen und haben im Normalfall kein Echolot.
Fledermäuse haben einen Energiesparmechanismus. In Regen- und Kälteperioden, in denen es keine Insekten gibt, senken sie ihre Körpertemperatur von 39 Grad auf Umgebungstemperatur ab und sparen so Energie. Wenn sie gestört werden, können sie dann allerdings nicht sofort wegfliegen, sondern brauchen erst Zeit zum “Aufheizen”. Im Winterschlaf kann das bis zu einer Stunde gehen.
Windräder können gefährlich für Fledermäuse und andere fliegende Tiere sein. Oft verunglücken Tiere, wenn sie in die Rotorblätter geraten. Es ist daher wichtig, dass sie außerhalb von Zugkorridoren und von Wochenstuben-Quartieren aufgestellt werden.
Fledermäuse haben im Jahresverlauf unterschiedliche Ansprüche. Sie benötigen ein geeignetes Quartier für die Jungenaufzucht, eines für den Winterschlaf, für die Paarung und für Heiß-und für Kaltwetterperioden. Ein geeignetes Quartier wird jedes Jahr wieder im etwa gleichen Zeitraum bei ähnlichen Witterungsverhältnissen aufgesucht. Fledermäuse zählen also zu den ortstreuen Tieren. Wird das Quartier zerstört, ist die Ersatzsuche mit großen Gefahren für die Tiere verbunden (z.B. Einfliegen bei gekipptem Fenster, da die Tiere die Ausflugsöffnung nicht mehr finden).
Die ehrenamtlichen Sachverständigen für den Fledermausschutz sind in Baden-Württemberg in das Landesnetzwerk Biodiversität eingebunden.
Die Umweltstiftung Rastatt weist auch immer wieder auf Fledermausführungen hin. Bitte beachten Sie unsere Veranstaltungshinweise.
Zusätzliche Ergänzung der Umweltstiftung Rastatt v. 14.01.2013:
Laut Mitteilung des Landratsamtes Rastatt (Quelle: Koordinierungsstelle für Fledermausschutz Nordbaden) gab es im Landkreis Rastatt zum 01.01.2013 folgende Arten:
Nachgewiesen wurden bislang:
1. Großes Mausohr 2. Wasserfledermaus 3. Bechsteinfledermaus 4. Wimperfledermaus 5. Kleine Bartfledermaus 6. Nymphenfledermaus 7. Braunes Langohr 8. Graues Langohr 9. Zwergfledermaus 10. Rauhautfledermaus 11. Mückenfledermaus 12. Breitflügelfledermaus 13. Großer Abendsegler 14. Kleiner Abendsegler
Vermutlich noch zu finden sind:
15. Zweifarbfledermaus 16. Weißrandfledermaus 17. Mopsfledermaus 18. Nordfledermaus 19. Große Bartfledermaus 20. Fransenfledermaus
Keine Nachweise (da aus der Region seit Langem verschollen) gibt es zu:
21. Große Hufeisennase 22. Kleine Hufeisennase 23. Langflügelfledermaus